Wälder der Vielfalt –„Tiny Forests“ als Idee fürs Quartier


Das Konzept des „Tiny Forest“ kann einen neuen, integrativen und in urbanen Räumen gut umzusetzenden Beitrag zur Gestaltung einer nachhaltigen Umwelt darstellen.


Derzeit erleben wir weltweit eines der größten Artensterben der Geschichte. Ursachen dafür sind klimatische Veränderungen sowie der Verlust von natürlichen Lebensräumen durch anthropogene Landnutzung. Des Weiteren entfremdet sich der moderne Mensch immer weiter von der Natur und verliert so auch das Bestreben, eben diese konsequent zu schützen und zu regenerieren.

Das Konzept des „Tiny Forest“ – dabei handelt es sich um naturbelassene Kleinst- oder Mikrowälder – bietet einen ganzheitlichen Ansatz, einen Beitrag zur Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft zu leisten.

Worum geht es dabei? Ein Tiny Forest entsteht durch die Anpflanzung einer dichten Mischung standortangepasster Baum- und Pflanzenarten. Ein solcher Mikro-Urwald erbringt eine ganze Reihe von Ökosystemdienstleistungen, die sich in vielfältiger Hinsicht positiv auf seine ökologische und soziale Umwelt auswirken.

 

Die Akira-Myiawaki-Methode

Der japanische Forstwissenschaftler Akira Myiawaki inspirierte uns Mitte 2019 zu der Idee, einen Wald nach dieser besonderen Methodik zu pflanzen.
Die Besonderheit eines Tiny Forests liegt zum einen in seiner Größe von lediglich 100 bis 2000 m², zum anderen in der sorgfältigen Bodenvorbereitung sowie der engen Pflanzverbände. Erste Schritte bei der Realisierung eines solchen Waldes stellt die genaue Analyse des Standortes und des vorhandenen Bodens dar. In unserem Fall ließen wir Bodenproben im landschaftsökologischen Labor der Hochschule untersuchen, um festzustellen, wie man diesen so verbessern könnte, sodass die jungen Bäume optimale Wachstumsvoraussetzungen vorfinden würden.

Je nach Bodenart, Korngrößenverteilung, pH-Wert und Humusanteil werden verschiedene, lokale Substrate verwendet, um den Boden bezüglich dieser Parameter zu optimieren und um Bedingungen zu schaffen, die eine verbesserte Durchwurzelbarkeit, Wasserhaltekapazität sowie Nährstoffverfügbarkeit aufwiesen.

Auf der nun vorbereiteten Fläche werden in der Folge heimische und standortangepasste Bäume und Sträucher nach einem bestimmten Verteilungsschlüssel gepflanzt. Hierbei ist das Ziel, eine maximale Diversität zu gewährleisten. Insgesamt ergibt sich dabei eine Pflanzdichte von etwa 3 Pflanzen pro Quadratmeter, was wesentlich enger ist, als im konventionellen Forstbetrieb gepflanzt wird. Diese Dichte orientiert sich an der natürlichen Dynamik von Naturverjüngungen.

Durch die gute Bodenqualität haben die Pflanzen in einem Tiny Forest optimale Startbedingungen. Der enge Pflanzverband erzeugt einen hohen Konkurrenzdruck, welcher ein stark beschleunigtes Wachstum zur Folge hat. Projekte im asiatischen Raum und auch in den Niederlanden haben bereits gezeigt, dass ein solcher Wald bis zu 10-fach schneller wächst, als ein herkömmlicher Wald. Ist der Wald gepflanzt und umzäunt, so muss er maximal 3 Jahre gelegentlich gewässert werden, bevor ein sich selbst erhaltendes, stabiles Mini-Ökosystem entstanden ist.

 

Nützlich für Mensch und Umwelt

Tiny Forests haben auch eine starke soziale Komponente. Die Pflanzaktion findet gewöhnlich gemeinschaftlich mit vielen Menschen statt. Dabei kann es sich um freiwillige Helfer einer Gemeinde, Schüler im Rahmen von nachhaltiger Bildung oder Mitarbeiter einer Firma im Rahmen von Teambuilding-Maßnahmen handeln. Dies ist abhängig von der Lokalität und dem Auftraggeber. Entscheidend ist aber in jedem Fall die Partizipation. Tiny Forests sollen dazu dienen, den Menschen eine Möglichkeit zu bieten, wieder mit der Natur in Kontakt zu kommen, Gemeinschaft zu erleben und selbst etwas Gutes zu tun. In unserem Fall wurde der Wald innerhalb eines Wochenendes mit insgesamt 20 begeisterten, freiwilligen Helferinnen und Helfern gepflanzt.

Generell machen Tiny Forests vor allem im urbanen Raum Sinn. Hier dienen sie als Temperatur- und Lärmpuffer. Sie reinigen die Luft und bieten einen sicheren Rückzugsort für Insekten und Vögel. Sie sind ein Erholungsort für Anwohner, verbessern die Wasserhaltekapazität des Bodens und bilden kleine leistungsstarke CO2-Senken im urbanen Raum. Da sie bereits ab einer sehr kleinen Fläche umzusetzen sind, ergeben sich unzählige potentielle Standorte: auf öffentlichen Grün- oder Brachflächen, auf Schulhöfen, Firmengeländen oder Privatgrundstücken.
Durch die hohe Diversität an Baumarten kann ebenfalls mit einer hohen Diversität an Insekten- und Vogelarten gerechnet werden. Außerdem entsteht ein gesunder Boden mit einer Vielzahl an Mykkorhiza-Pilzen, Bakterien und Mikroorganismen.

Was unterscheidet ihn von konventionellen Formen der Waldbewirtschaftung? Ein Tiny Forest wird sich selbst überlassen und ihm wird in keiner Weise Biomasse entnommen. Sein Wert ist ausschließlich ökologischer und sozialer Natur, jedoch nicht ökonomischer. Durch die diversen Ökosystem-Dienstleistungen dient er direkt den Menschen und durch gemeinschaftliche Pflanzaktionen leistet er einen Beitrag zur Bildung für nachhaltige Entwicklung.


Übernommen aus EKSP, Wissensplattform Erde und Umwelt, www.eskp.de, Stefan Scharfe, Lukas Steingässer, Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde